Eine musikalische Kurzgeschichte voll klangvoller Töne abseits der engen Grenzen ernsthafter Musik.
Inhaltsverzeichnis

Klappentext
Ich spiele Flöte. Für mein Leben gern. Nur nicht nach den Noten auf dem Papier, sondern improvisiert.
Das Casting-Plakat für ein Musical reizt mich. Das Gelb des Plakates lädt mich ein, verführt mich dazu wieder in einem Orchester spielen zu wollen. Trotz der engen Vorgaben im Tonumfang.
Die Entscheidung ist größer als ein einfaches »ja« oder »nein«. Die Konsequenzen beeinflussen mehr als einen Nachmittag in meinem Leben. Will ich es wirklich wagen diese Chance wahrzunehmen?
Eine musikalische Kurzgeschichte voll klangvoller Töne abseits der engen Grenzen ernsthafter Musik.
Leseprobe
Musik ist die Kiste, in der alle Töne gesammelt werden. Gesammelt und nach Gattungen sortiert. So habe ich es gelernt. So habe ich es hassen gelernt und lieben. Eine Hassliebe, diese Regel. Eine, die mich nicht davon abgehalten hat Flöte spielen zu lernen.
Bis heute.
Dabei ist meine Musiklehrerin immer die Erste gewesen, die bereit dazu war, Ausnahmen aufzuzählen. Ausnahmen von Tönen und Tonfolgen, die nicht zur Musik gehörten. Wozu sie stattdessen gehörten, hatte sie nie erklärt. Die Frage danach, meine Frage, hatte sie gar nicht als gültige Frage anerkannt, sondern ignoriert.
Trotzdem stehe ich heute im Licht der Mittagssonne vor der runden Litfaßsäule mit dem gelben Plakat, auf dem in blauen, serifenlosen Buchstaben steht: »Vorspiel für das städtische Musical-Orchester. Freitag, 15 Uhr in der Stadthalle.«
Ich denke an meine Flöte. Die schmale, schlanke Blockflöte, die ich in der Grundschule geschenkt bekommen habe. Jahrelang habe ich Unterricht im Spielen bekommen, ohne dass auch nur ein Lehrer von mir überzeugt gewesen wäre.
Heute liegt sie im Regal neben der Altflöte und einer neuen Blockflöte.
Unterricht an der Musikschule nehme ich keinen mehr. Stattdessen lausche ich Videos und Podcasts im Internet. Von dort lerne ich neue Feinheiten und Freiheiten. Besonders Freiheiten. Die gefallen mir am besten. Die Lieder, in denen ich schiefe, nach der Definition meiner Musiklehrerin, Töne spielen darf, in denen ich improvisiere und das Klangspektrum meiner Flöte ausspielen kann. Töne wie sie in einer Musikschule sofort verboten und sanktioniert werden würde. Sanktioniert mit strafenden Blicken, abfälligen Kommentaren und Gemurmel über mangelnde Übungseinheiten.
Töne, welche keine Musik ist, wenn es nach der Ausnahmeliste meiner Musiklehrerin geht. Die Ausnahmen von der Regel. Der Regel, dass alle Töne Musik sind.
Eine Regel, die ich heute immer noch nicht leiden kann und ignoriere.
Ob ich in dem Musical-Orchester überhaupt eine Chance habe?
Ich betrachte das gelbe Plakat von oben bis unten. Neige meinen Kopf zur Seite und inspiziere die schief abgerissenen Stücke Klebeband an den Ecken. Jemand hat es eilig gehabt, oder kein Auge für Details, oder kein Interesse an sauber abgerissenen Klebestreifenkanten.
Unten auf dem Plakat steht, in kleinen, orangen Buchstaben, dass es einen Improvisations-Teil im Musical gibt. Dafür wäre ich bestimmt geeignet. Aber was ist mit dem Rest? Warum sind die Buchstaben fast unleserlich in Orange auf Gelb geschrieben? Wollen sie keine Bewerber?
Der laue Spätsommerwind weht an mir vorbei. Er bringt den herrlichen Duft von frisch gebackenem Brot und stinkendem Käse mit. Beides wird eine Straßenecke weiter auf dem Wochenmarkt verkauft. Unter lautem Hallo und viel Gequatsche, schließlich ist der Wochenmarkt ein Treffpunkt und nicht nur eine Gelegenheit einzukaufen. Vor meiner Litfaßsäule stehe ich alleine. Mit meinem knurrenden Magen, der gerne eine Scheibe frisch gebackenes Sauerteigbrot hätte, dessen verführerischer Duft vom Wind zu mir herübergeweht wird.
Soll ich mich vorstellen und auf einen Platz im Musical-Orchester bewerben?
Lustig wäre es mit Sicherheit. Gemeinsam mit anderen zu musizieren, statt immer nur alleine Zuhause, macht Spaß. Darum habe ich mich meine gesamte Schulzeit mit dem Flötenunterricht in der Musikschule abgegeben und die Töne nach Vorgabe gespielt: Weil ich dafür in den Ensembles und Orchestern der Musikschule mitspielen durfte. Gemeinsam mit anderen Musizieren und auftreten. Selbst, wenn die Auftritte nur als Klassenvorführungen für die Eltern konzipiert waren und kaum je ein Außenstehender aus der Stadt sich dazu verirrt hat.
Die Glocke der nahen Kirchturmuhr schlägt zur vollen Stunde. Vier tiefe Töne. Gefolgt von den hellen Tönen der Stundenglocke. Es ist um zwei.
Wenn ich noch lange hier stehe und überlege, läuft mir die Zeit davon. Ich muss mich entscheiden. Will ich mitmachen? Dann muss ich nach Hause, mich umziehen und herrichten.
Will ich nicht? Dann sollte ich endlich zum Markt weitergehen, bevor das leckere Sauerteigbrot aus Gelbweizen ausverkauft ist. Denn dann muss ich kommende Woche eine andere Sorte essen, welche ebenfalls lecker, aber nicht meine Lieblingssorte ist.
Mit den Fingerspitzen fahre ich über die großen Buchstaben des Plakates und denke nach.
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